Sonntag, 12. Juni 2011

Ein Shooting mit Hindernissen

Insgesamt habe ich über 40 Fotoideen aufgeschrieben und zu mindestens 25 davon intensiv Gedanken gemacht... Ich sehe die Bilder vor meinem geistigen Auge, noch bevor das Shooting stattgefunden hat. Natürlich weiß ich, weil ich nicht selbst hinter der Kamera stehe, dass die Aufnahmen nicht 100%ig meinen Vorstellungen entsprechen können, dennoch... versuche ich mein visuelles Bild der/dem Fotograf*in so genau zu erklären, dass er/sie eine Vorstellung von meiner Idee bekommt. Meistens klappt es sehr gut!

So war das auch mit dieser Idee:

Welche Frau träumt nicht davon, wie bei Sex and the City, am Pool zu liegen, sich zu sonnen, Cocktails trinken und sich über die neusten Männergeschichten austauschen? Dabei spielt es absolut gar keine Rolle, ob sie nun körperlich eingeschränkt ist oder nicht... 


Es mag komisch sein und klingen, aber für die meisten Menschen ist genau das nicht vorstellbar. Eine Rollstuhlfahrerin, die womöglich die gleichen Gedanken, Wünsche und Träume hat wie die gesunden Frauen?! Nein, das ist unmöglich. 


"Behinderte sitzen oft nur Zuhause rum, haben kaum soziale Kontakte und alles was ihnen bleibt ist der Fernseher und Computer. Sie führen weder Beziehungen, noch kann man sich in sie verlieben. Wer weiß schon wie sie, die Behinderten, ticken..." - so oder so ähnlich denken viele über die Körperbehinderten. 


Mir war besonders bei dem Shooting wichtig zu zeigen, dass es ganz anders ist. Es ist natürlich nur ein kleiner Schritt zur Bekämpfung der Vorurteile, aber immerhin. 


Die Organisation des Shootings begann zunächst mit der Locationsuche. Die Hotels wollten ihren Wellnessbereich nicht zur Verfügung stellen, weil es deren Gäste stören könnte. Natürlich. Ein Beach Club wäre auch wunderbar gewesen, aber 1. gibt es dort meistens keinen Pool,  2. wollten die Betreiber es höchstoffiziell machen... mit Konzept und Kennenlerntermin und... dafür war der Ort nicht überzeugend genug; und 3. ist dort sehr viel Sand, was für einen elektrischen Rollstuhl nicht vorteilhaft ist.  Bei einem Gespräch mit einer meiner Assistentinnen kam ihr die Idee: Die Kaifu Lodge wäre perfekt für dieses Shooting! Ebenerdig, mit Wasser und sehr zentral gelegen. 


Nach langem hin und her telefonieren, weil keiner für mein Anliegen zuständig sein wollte, hatte ich sie: Die Zusage. Kostenfrei, morgens an einem Dienstag sollte es stattfinden und möglichst nicht länger als eine Stunde dauern. (Und wieder: Danke für die spontane Zusage...) 


Wir legten einen Termin fest und ich begann die Models zu suchen. Insgesamt sollten es fünf Models sein, eine davon an Muskelschwund erkrankt. Bianca, die erkrankt ist, sagte sofort zu. Ich schrieb mehrere Mails an Freundinnen und an Bekannte; beschrieb die Anforderungen: Bikini, große Sonnenbrille und Lust mich bei dem Projekt zu unterstützen. Es sagten alle zu. Wow! 


Schon am Donnerstag, fünf Tage vor dem Shooting, begann ich dem Wetterbericht zu lauschen... es wurde immer schlechter und schlechter. Der Regen wollte nicht aufhören und die Tage wurden grau. Die Hoffnung starb einen Tag vor dem Shooting, es war klar, dass die Bilder unauthentisch und dunkel werden würden. Auch wollte ich es Bianca nicht antun - die "Muskelschwundler" frieren nämlich um das zehnfache (nicht medizinisch belegt) als gesunde Leute und dann ist die Gefahr einer Lungenentzündung einfach zu groß. Das Risiko würde ich niemals eingehen. 


Wir verlegten den Termin um eine Woche. Zwei der eingeplanten Models konnten nicht, so dass die Suche weiterging... es sagte keiner zu. Fast alle fanden sich "zu dick" oder mussten arbeiten und studieren. Gott sei Dank hat Jessica (die Fotografin) einige Models gefunden, die unentgeltlich mitmachen würden. Problem gelöst, nun sollte nur noch das Wetter mitspielen... 


Es war heiß und die Freude auf das Shooting stieg bei allen Beteiligten. Die Fotografin und ich durchdachten jedes Details: Handtuchfarbe, Farbe der Cocktails, Gläser, Farbe der Bikinis... 






Ich gönnte mir ein paar freie Tage und fuhr nach Amsterdam. Der kleine Trip war wunderschön und ich kam körperlich und seelisch runter... Die Wetteraussichten waren wieder mal nicht so gut, aber wir ließen uns nicht entmutigen. Bis die SMS kam: "Hallo Anastasia, ich bin leider krank, habe Husten. Wir müssen das Shooting absagen." Die SMS war von Bianca und da gab es keine Zweifel, das Shooting wird abgesagt. Husten könnte sich zu einer Lungenentzündung entwickeln, das wollte ich nicht riskieren. Jessica wollte das Shooting hinter sich bringen und andere vier Models stellten sich schon darauf ein... wir versuchten Janine und Kristin dafür zu gewinnen, doch leider mussten beide arbeiten.


Wieder verschoben wir es um eine Woche. 


Und wieder sprang ein Model ab, weil sie arbeiten musste. Diesmal konnten wir keinen Ersatz finden und das Shooting fand mit insgesamt vier Models statt. Darüber bin ich heute sehr froh, denn bei vier Models kann man schneller die Assoziation zu Sex and the City herstellen. 


Das Shooting an sich war relativ kurz und schmerzlos. Weil wir schon vier Wochen alles bis ins Detail durchgeplant haben, wussten alle welches Bild entstehen sollte. Die Models änderten zwar hin und wieder ihre Posen und nahmen das Cocktail von der rechten in die linke Hand, aber allzu viel Veränderung war sinnlos. Denn: Es sollten sich vier Frauen auf einer Sonnenliege sonnen. 


Wunderbar. 










P.S. Ich danke allen, die bei diesem Shooting mitgewirkt haben... es waren nicht wenige. 



Fotografin: Jessica Prautzsch
Making-Of Fotograf: Mike Bikadorov 

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